Was am Kreuz geschehen ist

Menschen im 21. Jahrhundert sind weit entfernt von der antiken Welt, in der Kreuzigungen eine übliche und häufige Hinrichtungsmethode waren. In jeder Kirche finden sich Kreuze, sie hängen in manchem Schulzimmer oder Wohnzimmer und viele tragen ein Kreuz um ihren Hals. Und den wenigsten ist dabei bewusst, daß sie damit einem todbringenden Folterinstrument besondere Aufmerksamkeit schenken. Und doch ist das Kreuz zentral für den christlichen Glauben.

Der Apostel Paulus kann immer wieder deutlich machen, daß es ihm im Wesentlichen immer um den Gekreuzigten geht:

Denn ich hatte mich entschlossen, unter euch nichts anderes zu kennen außer Jesus Christus und ihn als den Gekreuzigten. (1.Kor.2,2)

Für mich jedoch ist es unmöglich, auf irgendetwas anderes stolz zu sein als auf das Kreuz von Jesus Christus, unserem Herrn. Durch ihn ist die Welt für mich gekreuzigt, und durch ihn bin ich für die Welt gekreuzigt. (Galater 6,14)

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Umso mehr stellt sich die Frage, was an diesem Kreuz genau geschehen und warum es so bedeutungsvoll ist für den christlichen Glauben. Was will Gott durch das Kreuz zum Ausdruck bringen?

Die ganze Bibel hindurch wird deutlich, daß Gott erlösen, retten, vergeben und wiederherstellen möchte. Gott selbst kommt in Jesus Christus auf diese Welt und Jesus tut nur, was er den Vater tun sieht. In Jesus wird Gott sichtbar. Wer ihn sieht, der sieht den Vater. Und während seines gesamten Wirkens hat Jesus genau das getan: Menschen gerettet, sie geheilt, ihnen Vergebung zugesprochen, sie erlöst von dem Bösen, ihre Würde und ihre Lebensgrundlagen wiederhergestellt. Das ist es, was Gott unter den Menschen in dieser Welt tun möchte.

Gleichzeitig hat Gott das aber schon immer getan. Bereits vor Jesus, im Alten Testament, hat Gott den Menschen vergeben, hat er sie errettet, hat er einzelne Menschen oder das ganze Volk erlöst und wiederhergestellt. Er hat sich mit Menschen und mit seinem Volk versöhnt, er hat sie befreit und ihnen Leben geschenkt.

Was ist am Kreuz also geschehen? Bringt das Kreuz etwas Neues? Hat sich durch das Kreuz etwas verändert?

Nach meinem persönlichen Verständnis des biblischen Zeugnisses ist das Kreuz nicht die Ursache oder der Auslöser für Gottes Vergebung und Versöhnung. Gott braucht das Kreuz nicht, um etwas tun zu können, was er vorher nicht tun konnte. Das Kreuz ermöglicht Gott nichts, wozu ihm vorher die Hände gebunden waren. Es musste keiner höheren Gerechtigkeit Genüge getan werden. Gott war einer Göttin Justitia nichts schuldig, als ob er erst durch die Begleichung einer Schuld in die Lage versetzt worden wäre, etwas zu tun, was er vorher nicht konnte oder durfte – wie zum Beispiel vergeben oder sich versöhnen.
Kann Gott erst seit der Kreuzigung Jesu vergeben? Nein das konnte er auch zuvor. Dazu gibt es unzählige Beispiele im Alten Testament. Kann sich Gott erst seit der Kreuzigung mit Menschen versöhnen? Nein auch das konnte er schon immer. Kann Gott segnen seit dem Kreuz? Nein das konnte er schon bei Abraham! Es gibt nichts, was Gott seit dem Kreuz tun kann, daß er nicht vorher auch schon tun konnte. Gerade am Beispiel von Mose und Elia, die Jesus auf dem Berg der Verklärung erscheinen wird deutlich, daß Gott auch im Alten Testament bereits ewiges Leben und Auferstehung geschenkt hat.

Das Kreuz hat nicht Gott
zum Handeln befähigt,

sondern uns zum
Glauben befähigt!

Das Kreuz hat nicht Gott zum Handeln befähigt, sondern uns zum Glauben befähigt! Am Kreuz vollzog sich kein göttlicher Gesinnungswandel, sondern es ermöglicht uns allen den notwendigen Gesinnungswandel. Das Kreuz trägt eine ungeheuer wichtige Botschaft für uns. Nichts ist wichtiger als diese Botschaft vom Kreuz! Es ist die Botschaft, daß Gott vergeben möchte, daß er sich versöhnen möchte, daß er segnen möchte und daß er Leben schenken möchte! Das Kreuz bringt seine Liebe und Beziehungssehnsucht zu den Menschen zum Ausdruck.

Am Kreuz geschieht das Schrecklichste, was je geschehen konnte: Gott selbst wird durch die Bosheit, die Gier, den Neid, die Unversöhnlichkeit, die Selbstsucht, die Verblendung, die Geltungssucht, die Sündhaftigkeit, die Feindseligkeit und die Gewalttätigkeit von den Menschen hingerichtet. Wir werden durch die Kreuzigung Jesu zu Gottesmördern! In Jesus wird nicht nur Gott, sondern ein Unschuldiger, ein Sündloser hingerichtet. Das Schlimmste aller Verbrechen, die Größte aller Sünden! Am Kreuz zeigt sich die abgrundtiefe Bosheit der Menschen. Damit wird das Kreuz zum Kulminationspunkt menschliche Abgründigkeit.

Und nach diesem menschlichen Terrorakt an Gott selbst wird Jesus auferweckt und Gott überwindet damit das, was die Menschen in ihrer Bosheit beabsichtigt hatten. Und nun verzichtet Gott auf jegliche Rache und Vergeltung. Er rächt sich nicht, er straft nicht, sondern versöhnt sich mit genau diesen Menschen. »Ja, in der Person von Christus hat Gott die Welt mit sich versöhnt, sodass er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnet.« (2.Kor.5,19 NGÜ). Das Kreuz hat Gott nicht befähigt sich zu versöhnen, sondern im Kreuz, im Moment der abgrundtiefen Bosheit der Menschen, offenbart Gott seine Versöhnungsabsicht und Versöhnungsfähigkeit mit genau diesen Menschen. Das Kreuz ist nicht die Ursache für Gottes Vergebung und Versöhnung, sondern der Anlass, selbst im Schlimmsten seine vergebungsvolle Liebe zu offenbaren. Darum ist die Botschaft vom Kreuz die deutlichste Botschaft der Versöhnungsabsicht und Vergebungsbereitschaft Gottes, die es je gab. Im Kreuz wählt Gott das „worst case scenario“, um genau darin seine Bereitschaft zur Versöhnung zu zeigen und sich dann auch tatsächlich mit der Welt zu versöhnen.

Und genau diese Botschaft vom Kreuz, diese Liebe Gottes, die sich im Geschehen am Kreuz zeigt, die sollen wir verkündigen. Im Kreuzesereignis ist nichts für Gott geschehen, daß er zuvor nicht konnte. Im Kreuz wird vielmehr sichtbar, was die Menschen so noch niemals zuvor wahrgenommen haben. Nicht Gott braucht das Kreuz, um an uns handeln zu können, sondern wir brauchen das Kreuz, um seiner Liebe und Versöhnungsabsicht vollkommenes Vertrauen schenken zu können. Die Apostel waren von diesem Kreuzesgeschehen und dem, was damit offenbart wurde, so beeindruckt, daß es ihr Leben und bald die halbe Welt auf den Kopf gestellt hat. Und weil wir alle nicht mehr Zeugen dieses Ereignisses sind, müssen wir die gute Botschaft dieses Kreuzes, also der Liebe und Versöhnungs- und Segnungs- und Wiederherstellungsbereitschaft Gottes immer neu verkündigen.

Wenn Gott die abgrundtiefe Bosheit der Menschen, die am Kreuz sichtbar wird, vergeben und sich versöhnen kann, dann reicht seine Vergebung für die ganze Welt: für dich und für mich!

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