Coronamaßnahmen und die erstaunlichen Parallelen zur spanischen Grippe

 

Es ist ein Hin und Her mit den aktuellen Maßnahmen in der Corona-Pandemie. Da werden Maßnahmen verschärft, um die Infektionen in den Griff zu bekommen, dann wird auf Druck der Wirtschaft und der Bevölkerung wieder gelockert, um einige Zeit später wieder im Lockdown zu landen, der dann wieder verkürzt wird, weil die Maßnahmen nicht zumutbar sind. Hier finden sich interessante Parallelen zur spanischen Grippe. Die Spanische Grippe war eine Influenza-Pandemie, die sich zwischen 1918 und 1920 in drei Wellen verbreitete und bei einer Weltbevölkerung von etwa 1,8 Milliarden  zwischen 20 Millionen und 50 Millionen Menschenleben forderte.
In der schweizerischen humoristischen-satirischen Wochenzeitschrift »Nebelspalter« wurde in Heft 10 des Jahres 1920 am 6. März ein erstaunliches Gedicht zur spanischen Grippe veröffentlicht. Schon in diesem Gedicht wird zum Ausdruck gebracht, dass die Menschen immer dieselben sind: auf der einen Seite schreien sie nach Maßnahmen und Durchgreifen des Staates, um die Seuche in den Griff zu bekommen und nach erteilten Verboten und Auflagen schreien alle nach Lockerungen, weil sie sich das Ganze nicht so vorgestellt haben.
Originalseite Nebelspalter 10/1920

 

Hier das Gedicht im Wortlaut:

Die Grippe und die Menschen

Als Würger zieht im Land herum
Mit Trommel und mit Hippe,
Mit schauerlichen Bum, bum, buum,
Tief schwarz verhüllt die Grippe.

Sie kehrt in jedes Hause ein
Und schneidet volle Garben –
Viel rosenrote Jungfräulein
Und kecke Burschen starben.

Es schrie das Volk in seiner Not
Laut auf zu den Behörden:
»Was wartet ihr? Schützt uns vorm Todb-
Was soll aus uns noch werden?

Ihr habt die Macht und auch die Pflicht –
Nun zeiget eure Grütze –
Wir raten euch: Jetzt drückt euch nicht,
Zu was seid ihr sonst nütze!

Es ist ein Skandal, wie man es treibt,
Wo bleiben die Verbote-
Man singt und tanzt, juheit und kneipt,
Gibt’s nicht genug schon Tote?«

Die Landesväter rieten her
Und hin in ihrem Hirne,
Wie dieser Not zu wehren wär‘,
Mit sorgenvoller Stirne;

Und sieh‘, die Mühe ward belohnt,
Ihr Denken ward gesegnet:
Bald hat es, schwer und ungewohnt,
Verbote nur so geregnet.

Die Grippe duckt sich tief und scheu
Und wollte sacht verschwinden –
Da johlte schon das Volk aufs Neu‘
Aus hunderttausend Münden:

»Regierung, he! Bist du verrückt –
Was soll dies alles heißen?
Was soll der Krimskrams, der uns drückt,
Ihr Weisesten der Weisen?

Sind wir den bloß zum Steuern da,
Was nehmt ihr jede Freude?
Und just zu Fasnachtszeiten – ha!«
So grölt und tobt die Meute.

»Die Kirche mögt verbieten ihr,
Das Singen und das Beten –
Betreffs des andern lassen wir
Jedoch nicht nah uns treten!

Das war es nicht, was wir gewollt,
Gibt frei das Tanzen, Saufen,
Sonst kommt das Volk – hört, wie es grollt,
Stadtwärts in hellen Haufen!«

Die Grippe, die am letzten Loch
Schon pfiff, sie blinzelt leise
Und spricht: »Na endlich – also doch!«
Und lacht auf häm’sche Weise,

»Ja, ja – sie bleibt doch immer gleich
Die alte Menschensippe!«
Sie reckt empor sich hoch und bleich
Und schärft aufs Neu’die Hippe.

Hippe ist ein alter Ausdruck für Sense, als Symbol für den Tod.

Quelle: ETH Zürich, E-Periodica, Rubrik Nebelspalter

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert