Vor kurzem war ich auf einer tiefblauen Konfernz, um die trinitarische Nomenklatur von Christian Schwarz zu gebrauchen. Der Redner erzählte die spektakulärsten Wunder, Taube konnten wieder hören, Krebs war verschwunden und es dauerte nicht lange, bis sich in einer Ecke des Saales Goldstaub am Boden manifestiere und sich die Hände eines Probanten mit aus dem Nichts auftauchenden Öl füllten. Jedem wurde Heilung und Gottes übernatürliche Hilfe zugesagt.
Ich glaube an Wunder und all die übernatürlichen Phänomene. Habe ich doch selbst dazu vor Jahren ein Buch geschrieben. Wenn wir aber das per Definition Außergewöhnliche, das Wunder, zur Normalität und zum Verfügbaren erklären und werden Wunder zum Repertoire des Möglichen oder sogar Notwendigen, dann landen wir bei der Tyrannei der Wunder.
Kommt dann die Hilfe oder die Schmwerzfreiheit vom Arzt oder vom Medikament, von der Physiotherapie oder der Entspannungsmassage, vom Hörgerät oder der Brille, dann ist das zwar schön, aber eben immer nur das Zweitbeste. Ständig macht uns das anscheinend immer zur Verfügung stehende Wunder ein schlechtes Gewissen und trübt die Freude an der Besserung, denn eigentlich hätte das Wunder zum Zug kommen sollen. Wenn tiefblaue Theologie die Verfügbarkeit der Wunder predigt, uns das Leben aber deren Unverfügbarkeit lehrt, dann macht diese Theologie das Wunder zum Tyrannen. Immer wieder scheitert man an seinen Ansprüchen und Forderungen.
Echter Glaube ermöglicht es, mit Wundern zu rechnen. Sie geschehen. Wer sie aber zur Normalität erklärt, ständig verspricht, in Superlativen von ihnen redet und kein Limit beimisst, der predigt eine gnadenlose Wundertheologie, die alles andere in den Bereich des Verlierens verweist, selbst wenn es mir besser geht oder alles wieder gut ist. Diese Wunder dulden nichts neben sich. Sie erklären nur das Übernatürliche für erstklassig und dem Göttlichen angemessen.
Ich gehe von solchen Konferenzen mit gemischten Gefühlen nach Hause. Einerseits fasziniert von der Möglichkeit des Übernatürlichen und der Schönheit des direkten Eingreifens Gottes, auf der anderen Seite abgeschreckt von dieser Einseitigkeit, die sich im Diktat des Übernatürlichen ausdrückt und allem „Natürlichen“ das Stigma der Zweitklassigen anheftet.