In unserer letzten Predigt haben wir uns mit dem Phänomen der Konsumgesellschaft und Multioptionsgesellschaft auseinandergesetzt.
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Wir leben in einer ganz ausgeprägten Konsumgesellschaft.
Und das nimmt in immer stärkerem Maße zu. Unser Leben ist zutiefst geprägt und gezeichnet von einem Lebensstil des Konsumierens. Konsum als unsere Lebensgrundlage ist der dominierende Lebensstil unserer westlichen Gesellschaft.
Bei der Konsumgesellschaft geht es im wesentlichen um die Frage:
- Was bringt es mir?
- Mein Interesse kommt zuerst
- Was springt für mich dabei heraus?
In der Konsumgesellschaft sind mir ich und meine Bedürfnisse das Nächste. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ heißt in der Konsumgesellschaft vor allem einmal: wie dich selbst. Ganz tief in uns Menschen steckt die Haltung, dass wir auf ganz vieles ein naturgegebenes Recht verspüren:
· Ein Recht auf Besitz, ein Recht auf Gesundheit, ein Recht auf Bequemlichkeit und Komfort, ein Recht auf angemessene Behandlung, ein Recht auf Freizeit, ein Recht auf Individualität, ein Recht auf meine Bedürfnisse usw.
Gleichzeitig sind wir eine Multioptionsgesellschaft.
Noch nie hatten die Menschen so viele Wahlmöglichkeiten für die Gestaltung ihres Lebens. Ich kann mir meine Religion auswählen, meinen Ehepartner, meine Arbeitsstelle, meine Bildung usw. All das war in den Gesellschaftsformen vor 150 Jahren nicht möglich:
· Da wurde ich verheiratet
· Meine Religion war vorbestimmt
· Die Arbeitsstelle durch den Vater vorgegeben
· Und meine Bildung meinen gesellschaftlichen Stand oder Geschlecht angepasst.
Wir haben aber auch die Wahl zwischen unendlich vielen Produkten. Noch nie gab es so viele Lebensmittel in unseren Läden. Noch nie so viele Kosmetikprodukte. Noch nie so viele verschiedene Getränke, Fleischsorten, Grundnahrungsmittel, Joghurt oder Süßigkeiten.
Und in dieser Multioptionsgesellschaft wird Verbindlichkeit zu einer enorm schwierigen Tugend. Denn wer möchte sich schon festlegen, wenn man solch eine große Auswahl hat? Da wartet man bis zum letzten Moment, bis es nicht mehr anders geht, um zu vermeiden, dass ich doch die falsche Wahl treffe. Ich kann heute bis zum letzten Moment warten, mich für einen Termin festzulegen, denn ich kann ja innerhalb von Sekunden per SMS zusagen oder absagen. Aber viel früher möchte ich es nicht machen, denn vielleicht kommt noch ein attraktiverer Termin.
Und da der Mensch in der Konsumgesellschaft zu allererst fragt: was bringt es mir? wird eben bis zum letzten Moment gewartet, ob für mich nicht doch noch etwas kommt, dass mir mehr Vergnügen, mehr Spaß, mehr Ruhe, mehr angenehme Gefühle, mehr Erholung oder mehr Freude bringt.
Aber es ist gerade dieser Mangel an Festlegung in unserer Multioptionsgesellschaft, dieser Mangel an Verbindlichkeit und an Entschlussfreudigkeit, der Beziehungen und Beziehungspflege immer schwieriger macht.
Verbindlichkeit in der Gemeinde
Diese Problematik findet sich auch in unseren Gemeinden. Denn wir alle stehen in dem Kampf, ob unser Leben stärker geprägt wird vom Königreich Gottes oder von den Werten unserer Konsumgesellschaft.
Das zeigt sich besonders im Besuch der Gottesdienste. Für viele Christen in Westeuropa hat sich der Sonntag zu einer Option entwickelt in unserer Multioptionsgesellschaft. Da gibt es so viele Optionen, was man am Sonntag alles machen kann. In die Natur, Wandern, in die Berge, zu Freunden, im Garten sitzen, gemütlich Kaffeetrinken, Sport machen, Hobbys pflegen usw. Und ab und zu ist dann auch wieder die Kirche dran. Und manche erinnern sich noch an die Zeiten, wo der sonntägliche Gottesdienstbesuch keine Option war, sondern eine Selbstverständlichkeit. Ein fester Bestandteil meiner persönlichen Jesusnachfolge.
Hat man nicht das Recht, seinen Sonntag zu gestalten wie man will? In einer Konsumgesellschaft und Multioptionsgesellschaft ja! Bei einer Gemeinschaft des Königreichs bin ich mir da nicht so sicher. Denn die letzten 2000 Jahre hat dieses Reich Gottes dadurch funktioniert, dass Christen verbindlich waren.
Apg.4,42: Sie blieben aber beständig (=beharrlich, verbindlich) in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Apg.4,42: Sie blieben aber beständig (=beharrlich, verbindlich) in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Der einzige Ausweg aus der ständigen Forderung der Multioptionsgesellschaft ist der bewusste Verzicht. Ohne die Bereitschaft auf Verzicht, wird jede Option zum Stress oder zur Bedrohung.
Darum hat Jesus so viel von „sich selbst verleugnen“ gesprochen. Da sagt man nämlich zu Wünschen, Verlangen, Bedürfnissen immer öfter „Nein“. Das ist nichts anderes als Verzicht.
Folgende Sätze sollte man seinem Denken antrainieren:
- Nicht erst mit dem Besten (preislich, qualitativ, Grösse, Wirkungsgrad, Ästhetik, Fun…) voll zufrieden sein.
- Auch schon mit weniger voll zufrieden sein
- Mit dem was ich jetzt habe voll zufrieden sein
Ich merke, wie es mit schwerfällt, voll zufrieden zu sein (also so, dass die Suche ein Ende hat), wenn ich weiss, dass es noch billiger, besser, schneller, qualitativ hochwertiger usw. gegangen wäre. Kann ich die innere Suche beenden, auch wenn ich weniger habe, als möglich wäre?
Hier braucht es persönliches Training, sonst sind wir immer auf der Jagd und die vielen Möglichkeiten und Optionen werden zu einer ständigen Ablenkung.