Gerade lese ich ein Buch über die Geschichte des evangelischen Gottesdienstes. Bemerkenswert finde ich eine Phase in der frühen Kirche, in der das Abendmahl immer noch Teil eines Sättigungsmahles war. Etwas später verschwand dann das Feiern des Abendmahls während eines richtigen Essens. Dafür brachten dann aber Gemeindemitglieder als diakonischen Akt Nahrungsmittel wie Brot und Wein mit in den Gottesdienst, was dann für das Abendmahl verwendet wurde, aber auch an die Armen und Bedürftigen verteilt wurde.
Ausführlich beschreiben wird das beim Kirchenvater Justin.
In den Schriften Justins (gest. um 165 in Rom) finden sich genaue Schilderungen vom sonntäglichen Gottesdienst, wie er sich damals in Rom, aber vielleicht auch in Kleinasien abgespielt haben mag. Schon jetzt bildet sich die »Grundstruktur« heraus, die wir in vielen Gottesdiensten wiedererkennen: Am Anfang steht der Verkündigungsteil des Gottesdienstes, der damals auch für die Nichtgetauften offen war. Er ist durch Lesungen aus den Propheten und den Evangelien geprägt und durch die Predigt, die vom Vorsteher gehalten wird. Es schließt sich ein Gebet mit Fürbittcharakter an. Es folgt die Mahlfeier, die allein den Getauften vorbehalten war und sich in drei größere Teile gliedert: in die Gabenbereitung, das Eucharistiegebet und die Austeilung. Dem Mahl geht ein »Gläu- bigengebet« und der »Bruderkuss« – das Zeichen des Friedens – voraus. Besonders interessant ist, dass das liturgische Element der »Gabenbereitung« mit diakonischen Aktivitäten verbunden war: Gemeindeglieder brachten Brot, Wein und andere Nahrungsmittel zum Gottesdienst mit, die neben ihrer Verwendung für die Eucharistie hauptsächlich bedürftigen Gemeindegliedern zugutekamen. Was früher im Sättigungsmahl den Armen zugewendet worden war, fand nun mit dieser besonderen »Naturalkollekte« eine sinngemäße Fortsetzung. Auch heute stehen wir immer wieder vor der Frage, wie Gottesdienst und Weltverantwortung, Liturgie und Diakonie in ihrer Zusammengehörigkeit zum Ausdruck gebracht werden können. Die ersten Feierabendmahle, wie sie in den 1980er Jahren im Rahmen der Kirchentage gestaltet wurden, knüpften unmittelbar an Impulse der Justinschen Abendmahlsordnung an.
Wäre es nicht eine Idee, diesen Gedanken auch für heutige Abendmahlsgottesdienste wieder aufzugreifen? Anstatt dass man beim gemeindlichen Abendmahl mit Vollversorgung rechnen kann, ist man plötzlich verantwortlich, Lebensmittel mitzubringen die Teil des Abendmahls sind und gleichzeitig an Bedürftige verteilt werden. In unserer Gemeinde könnte man diese Nahrungsmittel dann im Heilandsack verteilen.